Beim Betrachten von thematischen Deutschlandkarten fallen häufig zwei wiederkehrende Muster auf: Zum einen wird oftmals die Siedlungsstruktur widergespiegelt – d.h. die Unterschiede zwischen Stadt und Land werden deutlich und die großen Städte stechen hervor, weil sich in Agglomerationen bestimmte Merkmale ballen. Zum anderen gibt es ein Phänomen, das als deutsche Dreiteilung bezeichnet werden kann: Ein starker Süden, ein schwacher Osten und ein Nordwesten zwischen den beiden Extremen. Spannend sind somit immer wieder solche Karten, die diesen Mustern nicht folgen und ein neues Bild von Deutschland ergeben.
Hohe Kabarettdichte in Bayern, Nordrhein-Westfalen und Sachsen
Dies ist zum Teil bei der räumlichen Verteilung der rund 220 Kabarett- und Kleinkunstbühnen der Fall (Karte). Zwar liegen zwei Drittel dieser Bühnen in den Großstädten über 100.000 Einwohnern, und knapp 40 Prozent alleine in den 14 Städten über 500.000 Einwohnern. Insofern treten wieder die Ballungsräume im Kartenbild hervor. Aber immerhin mehr als ein Zehntel dieser Bühnen (12 Prozent) finden sich in Orten mit weniger als 20.000 Einwohnern. Zudem nimmt auch wieder Bayern einen vorderen Platz bei diesem Merkmal ein, aber dicht gefolgt von Nordrhein-Westfalen im Westen und Sachsen im Osten; die Schlusslichter bilden Brandenburg, Rheinland-Pfalz und das Saarland. Insofern werden die eingangs erwähnten Muster nur teilweise aufgegriffen. Die Abweichungen davon bieten genügend Stoff für Hypothesen – oder vielleicht eher Spekulationen.
Gibt es also ein regional unterschiedliches Lachverhalten und Bedürfnis, sich zu erheitern? Im Jahr 2005 versuchte sogar eine Studie in fünfzig Städten dies herauszufinden. Demnach betrug die tägliche Lachdauer unter Kölnern 10:34 Minuten, während Chemnitzer lediglich 5:17 Minuten lachten (Gerdau 2005). Aber angesichts einer größeren Debatte um die Seriosität der Daten-erhebenden Institution sollte diese Fährte lieber nicht weiter verfolgt werden – auch wenn es unbestreitbar reizvoll wäre.
Städte werben mit Kabarettfestivals und Kleinkunstpreisen
Sicherlich gibt es aber beim Humor bestimmte lokale und regionale Eigenheiten. Ganz besonders deutlich wird dies in Leipzig. Diese Stadt hat eine lange kabarettistische Tradition, die auch zu DDR-Zeiten gepflegt und nachgefragt wurde, denn die Wartezeit für eine Eintrittskarte betrug zwei bis fünf Jahre (MDR 2011). Gleich nach der deutschen Einheit rief Leipzig die Lachmesse – ein jährliches, zehntägiges Kabarettfestival – ins Leben, um ein Alleinstellungsmerkmal zu bekommen und eine Besonderheit zu nutzen: Bezogen auf die Einwohner ist Leipzig die Großstadt mit den meisten Kabaretts und Kleinkunstbühnen. Dieser Umstand wird touristisch genutzt und auf der offiziellen Internetseite der Stadt entsprechend beworben (Stadt Leipzig 2013).
Angesichts einer starken Konkurrenz aus dem Fernsehen ist es bemerkenswert, dass es – wie die Karte zeigt – auch gerade viele solcher Bühnen in kleinen deutschen Städten gibt. Die hohe und steigende Bedeutung dieser Unterhaltungsformen wird ebenfalls durch die räumliche und zeitliche Verteilung der Preise für Kabarett, Comedy und Kleinkunst deutlich. Es gibt mittlerweile rund 40 solcher Preise, die vielfach an Nachwuchskünstler vergeben werden. Insgesamt stehen dafür etwa eine viertel Million Euro zur Verfügung. Knapp die Hälfte davon ist im Zeitraum 2000 und 2010 hinzugekommen, was auf eine wachsende Beliebtheit hinweist. Dabei ist die räumliche Verteilung interessant: In den großen Städten wie Köln, Hamburg, Berlin oder München werden zwar auch derartige Preise vergeben, aber meistens stammen sie aus eher kleinen und weniger bekannten Orten, etwa Reinheim, Ottobrunn, Melsungen oder Vohenstrauß. Richard Rogler schreibt mit einem Augenzwinkern zum Herborner Schlumpeweck, dem dortigen Preis: „Wer es in Herborn schafft, schafft es überall“ (KulturScheune Herborn 2013). Dabei ist der Preis nicht nur für den Preisträger wichtig, sondern auch für den Preisstifter. Zeigt er doch, dass auch kleine Städte, die vielleicht vorschnell als Provinz bezeichnet werden, ihre weichen Standortfaktoren verbessern wollen und versuchen, auch eine gewisse mediale Aufmerksamkeit zu erlangen – Humorförderung in Ergänzung zur Wirtschaftsförderung? Ähnliches gilt für die Kabarettfestivals: Beispielsweise haben Rügen, Apolda oder Aschersleben diese Nische erkannt, sich als Ausrichter eines solchen Festivals zu positionieren und somit für die eigene Bevölkerung als auch für Lach-Touristen einen Anziehungspunkt zu schaffen (Karte).